Nicht von schlechten Müttern by Harthun Karoline
Autor:Harthun, Karoline [Harthun, Karoline]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kösel-Verlag
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00
STAATLICHE FÜRSORGE
Nun waren wir stolze Mütter von zwei Mädchen. Das heißt, rechtlich gesehen, hatte Helene nur eine alleinerziehende Mutter. Bei Edda war es genauso gewesen, auf ihrer Geburtsurkunde war zuerst nur ich als Mutter verzeichnet. In der Rubrik »Vater« hatte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, »unbekannt« angegeben. Stimmte ja auch. Erst später konnte Esther Edda adoptieren und ich Helene. Bevor es jedoch so weit war, stifteten wir bei den Behörden noch etwas Verwirrung, und zwar sowohl auf dem Standesamt als auch bei der polizeilichen Meldestelle.
Bei Edda war die Namensgebung ganz einfach. Ich war die leibliche Mutter, einen Vater gab es nicht, das Kind bekam also meinen Nachnamen. Helene hatte aber eine andere leibliche Mutter und damit, so der Standpunkt der Standesbeamtin, musste sie auch Esthers Nachnamen tragen, die damals noch den ungeliebten Bindestrichnamen trug. Ich war anderer Ansicht. Erstens steht im Gesetz, dass Geschwister denselben Nachnamen haben sollen. Gut, dass die beiden Geschwister waren, musste ich erst beweisen. Zweitens wird auch in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft verlangt, dass man einen Familiennamen festlegt, der auch der Name der zukünftigen Kinder sein wird, und wir hatten uns auf meinen Nachnamen geeinigt.
Ich konnte mich mit meiner Argumentation nicht gegen die übrigens sehr nette Standesbeamtin durchsetzen. Strahlend fertigte sie für Helene eine Geburtsurkunde mit dem Doppelnamen aus. »Das Kind muss wie die Mutter heißen, da bin ich ganz sicher.«
»So geht das nicht«, schimpfte Esther, als ich mit der Geburtsurkunde nach Hause kam. »Du musst noch einmal hingehen.« Die Standesbeamtin erinnerte sich gut an unsere Diskussion. »Ich habe mich erkundigt«, sagte sie. »Das Kind muss zwar wie die Mutter heißen, aber Doppelnamen sollen grundsätzlich nicht weitergegeben werden.« Das hatte ich ihr beim ersten Mal auch schon gesagt. Aber ihre Lösung des Problems verblüffte mich. Sie überreichte mir eine Urkunde, auf der sie die eine Hälfte des Doppelnamens gestrichen hatte. Helene hieß nun nach dem Geburtsnamen meiner Frau.
Das neugeborene Kind hatte damit einen anderen Nachnamen als Esther, als Edda, als ich. Ich wagte kaum, Esther mit dem Wisch vor die Augen zu treten.
Was sagte sie? »Du musst noch einmal hingehen.«
Meine Standesbeamtin begrüßte mich wie eine alte Freundin. »Sie haben recht gehabt, was den Familiennamen angeht. Ich lasse eine neue Urkunde ausstellen. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie die anderen vernichten!«, sagte sie und drohte mir mit dem Finger. Ich dankte ihr freundlich und nahm vor der Urkundenstelle Platz. Als ich dann die neue Urkunde in Händen hielt, hätte ich den Fehler beinahe nicht bemerkt. Da stand »Helene Harthun«, wie gewünscht. Doch dann fiel mein Blick auf die Spalte »Mutter«. Und da stand mein Name. Mit einem Federstrich hatte mich die Beamtin zu Helenes leiblicher Mutter erklärt.
Ich seufzte. Ich wusste schon, was Esther sagen würde. »Du musst noch einmal hingehen.« Darum wandte ich mich müden Schrittes um und zog wieder eine Wartenummer, obwohl ich bei mir dachte: »Wen kümmert es schon, was auf der Geburtsurkunde steht? Da guckt doch später kein Mensch mehr drauf.« Doch folgsam harrte ich aus und als ich das Dienstzimmer betrat, erschrak die noch immer freundliche Beamtin doch ein bisschen.
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